Der diagnostische Prozess beinhaltet neben Informationen über das Kind, Informationen über das psychosoziale Umfeld (Kindergarten, Schule, Betreuungseinrichtungen, Therapien, …) des Kindes auch standardisierte Testverfahren. In der klinisch psychologischen Diagnostik müssen in jedem Fall wissenschaftlich geprüfte fundierte Testverfahren zum Einsatz kommen. Es geht unter anderem darum, Stärken und Schwächen herauszufiltern und mit den entsprechenden Altersnormen in Beziehung zu setzen.
Die klinisch psychologische Diagnostik bildet die Grundlage und den Ausgangspunkt für Veränderung im psychosozialen Umfeld des Kindes und für alle weiteren Therapiemaßnahmen, Fördermaßnahmen, heilpädagogische Maßnahmen usw.
Der Prozess der Diagnostik hat primär zum Ziel, herauszufiltern, ob überhaupt Therapiemaßnahmen oder andere Maßnahmen (Fördermaßnahmen oder Erziehungsmaßnahmen zu Hause, im Kindergarten, in der Schule etc.) eingeleitet werden müssen oder ob Veränderungen in der Umgebung des Kindes ausreichen. Das heißt, dass es nicht in allen Fällen zur Therapie kommen muss.
Als erstes gilt es anhand des Ergebnisses zu schauen, was Eltern in der gewohnten Umgebung verändern können. Der zweite Schritt ist es zu schauen, ob die Notwendigkeit einer Therapie gegeben ist. Therapien ohne entwicklungs- neuropsychologische Diagnostik zu beginnen, ist nicht zu empfehlen, weil nur in der Diagnostik die notwendigen therapie- oder förderbedürftigen Bereiche identifiziert werden.
Sie dienen vor allem im Bereich der Entwicklungsverzögerungen und im schulischen Bereich als Grundlage für die Entscheidung, welche Behandlungsformen gewählt werden. Der Intelligenztest gibt Auskunft über die allgemeinen intellektuellen Fähigkeiten einer Probandin/eines Probanden. Gemessen werden allgemeine Fähigkeiten sowie die Fähigkeiten, komplexe Beziehungen in neuartigen Situationen wahrzunehmen und zu erfassen. Weiters spielen Denkstile eine Rolle (Wie gelingt es Kindern, Informationen zu verarbeiten?).
Zudem werden Fertigkeiten gemessen, welche Auskunft über die Auseinandersetzung mit der Umwelt geben.
In Leistungstests für Kinder werden unter anderem die Aufmerksamkeit, die Leistungsfähigkeit bei konzentrierter Tätigkeit, die Merkfähigkeit sowie die Visuomotorik analysiert.
Solche Tests untersuchen die allgemeine Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Hier werden Basiskriterien für umschriebene Entwicklungsverzögerungen erhoben, motorische Fähigkeiten bei lern- und entwicklungsauffälligen Kindern untersucht, weiters die sensomotorische Entwicklung erhoben sowie sprachliche Kompetenzen ermittelt.
Persönlichkeitsfragebögen nehmen eine Zwischenstellung zwischen den objektiven und den subjektiven Tests ein. Jeder Fragebogen besteht aus einer sehr großen Anzahl von Fragen, die sich auf Vorlieben und Abneigungen, auf Gefühle und Verhaltensweisen in verschiedenen Situationen, auf Gewohnheiten, Eigenschaften, Wünsche, Zustände und Werthaltungen beziehen.
Bei solchen Testverfahren werden momentane innere Kräfte untersucht, welche an der Entstehung von verschiedenen Auffälligkeiten beteiligt sind und auf die Vorstellungs- und Denkvorgänge einwirken. Es wird die Welt des Kindes aus einem ganz subjektiven Blickwinkel erfasst, um Verhalten, Gewohnheiten, Ängste, Konflikte, Wünsche usw. besser deuten zu können.
Erhoben werden die allgemeine Schulfähigkeit, die Schulleistung (Basiskompetenzen im Rechtschreiben, Lesen, Rechnen) sowie das Sozialverhalten (soziale Einstellung, emotionale und soziale Schulreife.
Eine allgemeine Definition von Schulfähigkeit gibt es nicht. Konkrete Anforderungen an das Kind beim Eintritt in die Schule sind nirgends „gesetzlich“ geregelt. Die Kinder müssen keineswegs alle Anforderungen der ersten Klasse bereits erfüllen. Ein Schulkind wird man schließlich dann, wenn man die Schule besucht und nicht vorher.
Viel wichtiger als das Beherrschen der Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen ist die Überprüfung der kognitiven Leistungen, der sozialen Kompetenzen und auch der Motivation und Arbeitshaltung der Kinder. Sehr wichtig ist auch die körperliche Verfassung der Kinder. In einer Schulreifefähigkeitsüberprüfung geht es um die Abklärung der körperlichen Entwicklung (Körpergefühl). Das Sehen und Hören sollte organisch in Ordnung sein, aber auch die visuelle und auditive Wahrnehmung sollte überprüft werden, da diese beiden Funktionen sehr eng mit dem Erwerb der Lese- und Schreibleistungen in Zusammenhang stehen. Feinmotorische Vorraussetzungen (Stifthaltung, Drehbewegung aus dem Gelenk, Kraftdosierung) werden gemessen. Kinder sollten eine Vorstellung von Zahlen und Mengen haben. Ein gewisses Sprachverständnis setzt das Folgeleisten im Unterricht voraus. Nicht zu Letzt stellt die Motivation zur Aufmerksamkeit eine wichtige Grundbedingung für den Schulerfolg dar. Kinder sollten nach Möglichkeit mit dem Alter entsprechenden sozialen Situationen umgehen können.
Eine Verlaufsdiagnostik hat die neuerliche Testung von schwach entwickelten Fähigkeiten der Kinder zum Inhalt, die in der Ersttestung erhoben wurden. Nachdem in der Erstdiagnostik Förder- oder Therapiemaßnahmen eingeleitet wurden, gilt es die dadurch erzielten Veränderungen zumeist einmal im Jahr zu überprüfen. Anschließend wird festgelegt, ob eine Therapie fortgesetzt werden soll, ob sie nicht mehr notwendig ist oder ob sie umgestellt werden muss, weil die Veränderungen bzw. die Fortschritte zu gering waren. Diese Diagnostik ist genauso wichtig wie die Eingangsuntersuchung, denn nur so können Kinder eine adäquate und auch die möglichst kürzeste Therapie erhalten. Denn ein Ziel der Diagnostik sollte immer sein, neben Therapien vor allem zuerst Veränderungen zu Hause herbeizuführen.